Gewerbemiete trotz Corona-Lockdown? Gerichte urteilen unterschiedlich

Kann ein Einzelhändler einfach die Mietzahlung einstellen, weil er wegen der Corona-Maßnahmen schließen muss? Diese Frage beschäftigt in diesen Zeiten immer wieder die Gerichte. Insbesondere für das Jahr 2020 stellt sich die Frage, ob die Lockdown-Maßnahmen als Störung der Geschäftsgrundlage zu werten sind. Eine Klarstellung des Gesetzgebers kam erst zum Jahreswechsel.

Kann ein Einzelhändler einfach die Mietzahlung einstellen, weil er wegen der Corona-Maßnahmen schließen muss? Diese Frage beschäftigt in diesen Zeiten immer wieder die Gerichte. Insbesondere für das Jahr 2020 stellt sich die Frage, ob die Lockdown-Maßnahmen als Störung der Geschäftsgrundlage zu werten sind. Eine Klarstellung des Gesetzgebers kam erst zum Jahreswechsel.

Karlsruhe/Dresden. Gerichte beurteilen die Frage, ob Einzelhändler bei einem Corona-Lockdown weniger Miete zahlen müssen, bislang unterschiedlich. So hat etwa das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden: Einzelhändler müssen ihre Miete grundsätzlich auch dann voll bezahlen, wenn sie wegen Corona nicht öffnen durften. Das Oberlandesgericht in Dresden sah es in einem vergleichbaren Fall etwas anders. Bis zu einer höchstinstanzlichen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof (BGH) bleibt die Lage also unsicher.

Das Karlsruher Urteil (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021, Az.: 7 U 109/20) drehte sich um eine Einzelhandelskette, die eine Filiale im Führjahrs-Lockdown vom 18. März bis zum 19. April 2020 hatte schließen müssen. Sie stellte für diesen Zeitraum die Mietzahlung ein. Die Vermieter klagten dagegen und bekamen sowohl in der ersten Instanz als auch vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Recht. Die Handelskette müsse die volle Miete bezahlen, befanden die Richter.

Pandemie ist kein Mietmangel

Die Pandemie sei kein Mietmangel, der eine Mietminderung rechtfertigen könnte. Auf Unzumutbarkeit der vollen Mietzahlung wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage könne sich der Einzelhändler ebenfalls nicht ohne weiteres berufen. Dafür müsste die Mietzahlung schon die Existenz des Unternehmens zerstören oder wenigstens schwerwiegend beeinträchtigen. Selbst in diesem Fall müsste aber auch die Interessenlage des Vermieters eine Mietanpassung erlauben.

Insofern sah das Gericht hier die Notwendigkeit, die genauen Umstände des Einzelfalls näher zu prüfen. Dabei käme es unter anderem darauf an, wie stark die Umsätze zurückgegangen waren und inwiefern der Einzelhändler das kompensieren konnte – etwa durch Onlinehandel, staatliche Hilfsgelder oder Kurzarbeit. Auch weiterhin vorhandene Vermögenswerte wie etwa verkaufsfähige Waren im Lager müssten in die Betrachtung mit einbezogen werden.

OLG Karlsruhe: Betrachtung der Umstände des Einzelfalls wichtig

Im vorliegenden Fall hatte die Handelskette nach Auffassung der Richter nicht in ausreichendem Maße anhand der entsprechenden Faktoren nachgewiesen, dass die Mietzahlung für sie tatsächlich unzumutbar war. Die Berufung des Unternehmens wurde daher abgewiesen, die Revision allerdings zugelassen. Das Signal aus Karlsruhe an die Vermieter ist jedoch klar: Es lohnt sich, eine Zahlungsverweigerung des gewerblichen Mieters nicht einfach hinzunehmen.

Etwas anders ging ein vergleichbarer Fall in Sachsen aus (OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021, Az.: 5 U 1782/20). Auch dort hatte eine Einzelhändlerin – es handelte sich um ein Textilgeschäft – im Frühjahrs-Lockdown vom 19. März bis zum 19. April schließen müssen und die Monatsmiete für den April nicht entrichtet. Der Vermieter klagte und errang einen Teilerfolg. Nachdem das Landgericht die Einzelhändlerin zur Zahlung der vollen Miete verurteilt hatte, reduzierte das Oberlandesgericht Dresden das im Berufungsverfahren auf 50 Prozent.

OLG Dresden sieht Störung der Geschäftsgrundlage gegeben

Wie auch im Karlsruher Fall entschieden die Richter in Sachsen, dass eine Mietminderung nicht in Frage komme, weil die Schließungsanordnung wegen der Corona-Pandemie nicht als Mietmangel zu werten sei. Auch auf eine Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung durch den Vermieter könne sich die Einzelhändlerin nicht berufen. Allerdings beurteilte das Oberlandesgericht Dresden die Situation sehr wohl als Störung der Geschäftsgrundlage.

Weil weder der Vermieter, noch die Mieterin diese Störung zu verantworten hatte, hielt das Gericht es in diesem Fall für gerechtfertigt, die Belastung zu gleichen Teilen auf beide Seiten zu verteilten. Auch in diesem Fall ist eine Revision möglich und so ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich am Ende der Bundesgerichtshof mit beiden Fällen wird auseinandersetzen müssen. Angesichts der unterschiedlichen Urteile wäre eine solche Klärung jedenfalls hilfreich.

Es gibt keinen Automatismus für Reduzierung von Mieten

Fest steht: Zum Jahreswechsel hat der Bundesgesetzgeber klargestellt, dass bei Schließungen wegen der Corona-Pandemie grundsätzlich von einer Störung der Geschäftsgrundlage auszugehen ist. In den Medien wurde daraufhin vielfach berichtet, Gewerbemieter hätten nun ein Recht, ihre Miete zu mindern. Das ist so aber nicht richtig. Die Klarstellung bedeutet nur, dass die Mieter das Recht haben, von ihrem Vermieter eine Verhandlung über Anpassungen am Mietvertrag – zum Beispiel hinsichtlich der Miethöhe – zu verlangen.

Damit ist aber keineswegs ein Verhandlungsergebnis vorweggenommen. Beide Seiten müssen miteinander sprechen und sich am Ende auf eine Vertragsanpassung einigen, die beide Seiten akzeptieren. Das kann auch bedeuten, dass es zu keiner Anpassung kommt. Insbesondere sind die näheren Umstände dabei zu beachten: Bekommt der Mieter 80 Prozent der Miete über die Corona-Hilfen vom Staat gezahlt, kann er mit dem Vermieter auch nur über 20 Prozent Nachlass verhandeln.

Hinweis für Haus & Grund-Mitglieder: Vermieter von Gewerberäumen, die mit entsprechenden Forderungen ihrer Mieter konfrontiert werden, sollten sich umgehend an die rechtliche Beratung in ihrem örtlichen Haus & Grund-Verein wenden.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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